KA 6 fliegt auch mit 3/4 Leitwerk

 

 

Es war der 19. Juni 1960 am beschaulichen Segelfluggelände Langenselbold bei Hanau. Die KA 6 des dortigen Aero- Clubs wurde zum Start vorbereitet. Gewählte Startart war ein F- Schlepp hinter der Klemm 35 von Herbert Greb/ Gelnhausen. Diese KA 6 war eines der ersten Exemplare dieses Typs, noch ohne Laufrad, nur mit einer Holzkufe versehen. Um den Anlauf  beim F- Schlepp zu erleichtern wurde an dem Flugzeug ein kleines metallenes Abwurffahrwerk mit 2 kleinen luftbereiften Rädern versehen, montiert. Nach abheben des Segelflugzeugs konnte der Pilot mit einer Ausklinkvorrichtung diese Fahrwerk abwerfen. Durch die luftbereiften Räder hatte es allerdings die Eigenschaft, wie ein Gummiball nach dem Bodenkontakt erst noch mal hoch zu springen. Um das gefahrlos zu bewerkstelligen,  sollte der Vorgang erst in einer sicheren Höhe durchgeführt werden. Anderseits waren die Piloten bestrebt, das Ding musste ja von den Kameraden auf der Bahn aufgelesen werden, sich so früh wie möglich von dem Gerät zu befreien, damit die Kameraden nicht gar so weit hinterher und es möglicherweise im Gras erst noch suchen mussten.

Bei diesem Start, der bis dahin wie gewohnt und glatt verlief, meinte es der Pilot aber wohl zu gut mit seinen Kameraden. Er klinkte das Fahrwerk deutlich zu früh aus. Als Augenzeugen mussten wir mit ansehen wie das Ding nach dem Bodenkontakt wieder hochsprang und mit einem bis zu uns hörbaren krachen in das Höhenleitwerk der KA6 schlug. Schreckensstarr sahen wir, wie neben dem Fahrwerk ein Bruchstück, offensichtlich ein Teil des Leitwerks zu Boden trudelte. Ohne Höhenruderfunktion in dieser Flugphase! Das ist das Ende! In dem Moment rechneten wir mit dem schlimmsten. Aber wir trauten unseren Augen nicht! Seeleruhig und wie gewohnt stieg der Schleppverband weiter. Was sollten wir tun? Wie angewurzelt standen wir da. Zu der Zeit war weder die KA 6 noch das Schleppflugzeug mit Funk ausgestattet. Auch kein anderes Flugzeug welches eventuell in der Nähe in der Luft war, war über Funk zu erreichen. So mussten wir erst mal hilflos zusehen wie der Schleppverband sich immer weiter entfernte und ganz normal Höhe gewann.

Mit dem Seilrückholwagen rasten 2 Mann los und holten das abgebrochene Stück Leitwerk auf der Startbahn im Gras. Schnell erkannten wir, dass es beinahe die komplette rechte Dämpfungsflosse des Höhenleitwerks war. Nach wie üblich ca. 5 Minuten Schleppzeit, die uns zur Untätigkeit Verdammten wie eine Ewigkeit vorkamen, klinkte die KA 6 noch in Sichtweite endlich aus und wir glaubten es kaum, fing sogleich an einen Bart auszukurbeln. Wie gewohnt kam die Klemm mit dem Schleppseil im Sturzflug zum Abwurf und anschließender Landung. Wie Herbert Greb zum Überflug des Abwurfs angebraust kam, standen wir aufgeregt neben der Bahn. Ein Mann schwenkte dabei gut sichtbar das abgebrochene Teil und wir Anderen zeigten wild winkend auf ihn und in Richtung der KA6 oben. Herbert begriff sofort. Nach Abwurf des Seils schob er sofort Vollgas rein und mit max. Steigleistung war er in kurzer Zeit bei der KA 6. Mit Handzeichen machte er dem Piloten verständlich, schnellstens wieder zum Platz zurück zu kehren. Zum Glück verstand er die Gesten, obwohl er dabei, wie er nachher sagte an alles andere als Grund dafür dachte. Keine Sekunde ließen wir die KA 6 aus den Augen. Uns fiel ein Stein vom Herzen als er im kurzen Endanflug mit gezogenen Störklappen in geringer Höhe wie üblich an uns vorüberzischte und kurz danach butterweich im Gras aufsetzte. Wir rannten mit dem Bruchstück hinterher und zeitgleich wie der Pilot ausstieg erreichten wir die KA6. Als er dann die Ursache unsere Aufgeregtheit und der ungewöhnlichen Landeanweisung sah, wurde es ihm doch momentan jedenfalls etwas weich in den Knien. Er hatte unsägliches Glück im Unglück gehabt. Fast die komplette rechte Dämpfungsflosse war durch das hochspringende Fahrwerk weggerissen worden. Das Ruder selbst, bei diesem Modell starr mit der linken Seite verbunden hatte noch seine volle Funktion. So ist es wohl diesem glücklichen Umstand und der hervorragenden Gutmütigkeit der KA 6 zu verdanken, dass dieser Vorfall letztlich ohne größere Folgen blieb. Der Pilot selbst berichtete, dass er wohl kurz einen „Rumms“ und im Knüppel ein „Zucken“ bemerkte. Aber nach dem der Flieger  sich ohne Einschränkung und Änderung weiter wie gewohnt steuern ließ, maß er dem keine weitere Bedeutung zu.

Als das beschädigte Leitwerk zur Reparatur zur Firma Schleicher nach Poppenhausen unter der Wasserkuppe gebracht wurde, zeigte sich der Konstrukteur dieses Fliegers, Rudolf Kaiser, nach dem er von dem Hergang erfuhr, erstaunt und begeistert über die Flugeigenschaften „seines“ Fliegers.

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